Sonntag, 2. November 2014

Geheimdienste freuen sich über zwischenmenschliche Zerwürfnisse

Der Weggang von Werner Preisinger aus Tutzing im Jahr 1958
- Eine Folge der Zersetzungsarbeit von Geheimdiensten?

Das zentrale Ereignis in der inneren Geschichte der Ludendorff-Bewegung nach 1945 ist der Weggang von Dr. Werner Preisinger (1905-1986) aus Tutzing im Jahr 1958 gewesen, das Zerwürfnis zwischen ihm und Mathilde Ludendorff. Mathilde Ludendorff hatte große Erwartungen auf seine Mitarbeit gesetzt. Sie sah ihn, den Geschichtslehrer, als den Begabtesten seiner Generation an, darin, angemessen über ihre Philosophie sprechen und schreiben zu können. Und sie hatte gehofft, dass er die Ludendorff-Bewegung nach ihrem Tod weiterführen würde. Denn ihren Schwiegersohn Franz von Bebenburg hatte sie dafür als nicht geeignet angesehen.

Abb.1: Mathilde Ludendorff 1953
Und da diese Weiterführung der Ludendorff-Bewegung von beiden Seiten als etwas höchst Wesentliches und Wichtiges angesehen wurde, die moralischen Maßstäbe also sehr hoch angesetzt worden waren, stand seit diesem Zerwürfnis von beiden Seiten aus der Vorwurf menschlichen Versagens im Raum.

Seither "schieden" sich an der Person Werner Preisingers "die Geister". Und fast jeder damalige Zeitgenosse, der etwas von diesen Auseinandersetzungen mitbekommen hat, und den man Jahrzehnte später dazu noch befragen konnte, hatte eine eigene Sichtweise auf sie. Da waren jene, die Werner Preisinger schwere Vorwürfe machten, dass er sich gegenüber Mathilde Ludendorff unangemessen verhalten hätte, dass er einer so hochbetagten Frau so vieles so schwer gemacht hätte. Und da waren jene, die meinten, dass Mathilde Ludendorff Werner Preisinger nicht richtig behandelt hätte.

Und es gab noch Dritte, vielleicht die Mehrheit derjenigen, die von diesem Geschehen etwas mitbekamen. Sie ergriffen keine Partei. Und sprachen höchstens mit bedauernder Miene von einem "tragischen" Geschehen.

Was meinte Mathilde Ludendorff darüber?

Werner Preisinger hat sich - soweit bekannt - zu all dem niemals mehr schriftlich geäußert. Auch von Mathilde Ludendorff sind wenig konkrete Äußerungen bekannt. Aber klar hat sie noch im Frühjahr 1958 (in ihrem Aufsatz "Was ist zu beklagen?") ihre Meinung zum Ausdruck gebracht, dass dieses Zerwürfnis von interessierter Seite auf geschickte Weise hochgeschaukelt worden ist. Um es im Klartext zu sagen: Ihrer Meinung nach beruhte das Zerwürfnis auf der geschickt eingefädelten Zersetzungsarbeit von Geheimdiensten.

Abb. 2: Werner Preisinger (bei Murnau)
Viele werden damals - und noch heute - über eine solche Einschätzung den Kopf geschüttelt haben oder schütteln.

Dafür gibt es aber weitaus weniger Grund, seit bekannt ist, dass jene unmittelbar nachfolgenden weltweiten Hakenkreuzschmierereien der Jahre 1959 und 1960, die die Steilvorlage boten zum Verbot des "Bundes für Gotterkenntnis" im Jahr 1961, eine zwischen westlichen und östlichen Geheimdiensten abgesprochene Aktion gewesen ist, die in Camp David, USA, beim Besuch von Nikita Chruschtschow zwischen den Geheimdiensten abgesprochen worden ist. (So unter anderem dargestellt von Armin Mohler in seiner Schrift "Vergangenheitsbewältigung". Dass es sich bei den Hakenkreuzschmiereien um eine östliche Geheimdienstaktion gehandelt hat, haben zwischenzeitlich auch viele andere Autoren - etwa der Historiker Michael Wolfsohn - auf der Grundlage von Überläufer-Berichten und ähnlichem gesagt.)

Da ist es nahe liegend, dass die von Mathilde Ludendorff angenommene, vorausgegangene innere "Zersetzungsarbeit", für die ja die Stasi und östliche Geheimdienste auch sonst so gut bekannt sind, tatsächlich stattgefunden hat und sich auswirken konnte.

Ich selbst habe allerhand Menschen zu dem Weggang von Werner Preisinger aus Tutzing befragt. In dem näheren Umfeld der Familie und der Nachkommen von Werner Preisinger will man sich wohl am wenigsten mit diesen Dingen beschäftigen. Man will sie auf sich "beruhen" lassen. Man will Wunden verheilen lassen statt sie aufzureißen, auch noch nach so vielen Jahrzehnten. Franz von Bebenburg hat bei einer Gelegenheit von seinen "Bemühungen" geschrieben, Werner Preisinger trotz aller Schwierigkeiten in Tutzing zu halten, welche aber schließlich an der Weigerung von Werner Preisinger gescheitert seien.

In einem Beitrag (St.gr., 01/2012) habe ich den Briefwechsel zwischen Ilse Behrens und Eberhard Beißwenger zu diesem Geschehen ausgewertet, in dem sich schon einiges von den damaligen zwischenmenschlichen "Gelagertheiten" wiederspiegelt. Bevor es zum Zerwürfnis zwischen Werner Preisinger und Mathilde Ludendorff gekommen war, war es schon zum Zerwürfnis zwischen ihm und Ilse Behrens gekommen. Ilse Behrens stand als Schriftstellerin und Kulturvermittlerin in ihrer Begabung wohl Werner Preisinger kaum nach, hat aber nur wenig über Philosophie selbst geschrieben. Durch Werner Preisinger vor allem war sie selbst erst zur Ludendorff-Bewegung gekommen und an ihrem Zerwürfnis mit ihm wird schon erkennbar, dass es damals zu zwischenmenschlichen Spannungen auch sonst sehr leicht kommen konnte.

Abb. 3: Als Geschäftsführer des "Bundes für Gotterkenntnis" unterschrieb Werner Preisinger 1956 und 1957 in Tutzing Quittungen für Spenden, die vor allem auch dazu bestimmt waren, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen (Herkunft: Ebay, Januar 2015)
Doch in diesem Briefwechsel spiegelt sich auch wieder, über wie viele Monate Mathilde Ludendorff dennoch hoffte, all die mit solchen Zerwürfnissen verbundenen Schwierigkeiten meistern zu können. Es schimmert in ihm auch ihre Erschütterung und Angegriffenheit durch, nachdem klar geworden war, dass die Schwierigkeiten nicht hatten gemeistert werden können.

Und diese Eindrücke decken sich mit den wenigen Worten, die Annemarie Kruse (gest. März 2016), die langjährige Haushälterin Mathilde Ludendorffs, im Frühjahr 2001 anlässlich einer persönlichen Nachfrage äußerte. Ihre Worte scheinen den eigentlichen Zusammenhängen am nächsten zu kommen. Sie sagte, dass sie es nie habe verstehen können, wie es so weit habe kommen können. Mathilde Ludendorff und Werner Preisinger wären über Monate und Jahre hinweg sozusagen "ein Herz und eine Seele" gewesen, hätten Stunden lang miteinander gesprochen, immer wieder wäre Werner Preisinger "herüber" gekommen (von Feldafing). Das Verhältnis wäre außerordentlich herzlich gewesen.

Es war ihr noch im hohen Alter ein Rätsel, wie ein so herzliches Verhältnis in einem so schwerwiegenden Zerwürfnis enden konnte. Und sie zeigte sich noch so viele Jahrzehnte danach traurig und erschüttert darüber. Ich denke, dass das im Wesentlichen auch die Sichtweise von Mathilde Ludendorff selbst gewesen ist.

Geheimdienste lauern auf zwischenmenschliche Zerwürfnisse

Über zwischenmenschliche Zerwürfnisse freuen sich Geheimdienste am meisten. Sie lauern richtig gehend auf sie. Oftmals lassen sie ihre Sendlinge Jahre und Jahrzehnte lang auf Lauerstellung liegen. Um im rechten Moment das Entscheidende zu tun. Denn diese zwischenmenschlichen Zerwürfnisse lähmen den Widerstand gegen ihre Arbeit am nachhaltigsten, tragen am meisten zur Erreichung ihrer Ziele bei. Nichts ist ihnen wichtiger, als das herzliche Vertrauensverhältnis zwischen den beteiligten Personen zu zerstören, als "Spaltungen" zwischen ihnen zu bewirken.

Das ist überall und immer wieder zu erkennen, wohin man blickt in der Geschichte der letzten hundert Jahre. Insbesondere bezüglich vieler gut aufgearbeiteter Fälle von Zersetzungsarbeit der DDR-Staatssicherheit (die ja sogar, wie wir heute wissen, vor der Zerstörung von Ehen nicht zurückschreckte). Aber deshalb freuen sie sich auch darüber, wenn sich im Nachgang über solche Zerwürfnisse "Sprachlosigkeiten" ausbreiten, sie geradezu zu einem Tabubereich werden.

Und sie freuen sich darüber, wenn niemand Mathilde Ludendorff wirklich ernst nimmt, wenn sie geschickte Zersetzungsarbeit von Geheimdiensten als letzte Ursache für das hier behandelte Geschehen angenommen hat.

Ich neige inzwischen auch zu der Einschätzung, dass das "eifersüchtige" Verschlossenhalten des Ludendorff-Archivs in Tutzing noch heute vor allem aus der Sorge heraus geschieht, dass niemand allzu unliebsame Fragen stellt. Dass die Aufarbeitung der Geschichte der Ludendorff-Bewegung der 1950er Jahre weiterhin in der Hand weniger bleibt, die dann reichlich krude "offizielle" Darstellungen darüber geben können (Hans Kopp, Franz von Bebenburg).

Und dass man sich freut, wenn man über den Tatbestand des Verschlossenhaltens erneut zwischenmenschliche Zerwürfnisse aller Art hochschaukeln kann und das dann erneut als ein "tragisches" Geschehen "bedauern" kann, bzw. wenn man ausstreuen kann, es würde unnötigerweise abträgliche Streitereien in die kleine Zahl der Anhängerschaft hinein getragen. Das fällt alles nicht schwer und die Freude innerhalb interessierter Kreise daran ist groß.

Es müssten einmal systematischer Äußerungen Erich und Mathilde Ludendorffs zusammen getragen werden über ihre Beobachtungen und Erfahrungen, die sie bezüglich der Unterwanderung und Zersetzungarbeit von gegnerischer Seite machten. So hatte Mathilde Ludendorff etwa schon in ihrem Aufsatz "Die feste Untermauerung" ("Der Quell", 9. Mai 1956) über die Geschichte der Ludendorff-Bewegung geschrieben:
Immer wieder wurden entsprechende Menschen mit solchen Aufträgen aus Geheimorden wie den Guoten, den Skalden, den Druiden usw. in unsere Reihen gesandt. Es drängten sich in unsere Bewegung viele durch Geheimorden an ihre vorgeschriebenen Ziele gebundenen Menschen. 
So viel man sieht, fällt selbst den überzeugtesten heutigen Ludendorff-Anhängern schwer zu glauben, dass solches in breiterem Umfang vor oder nach dem Tod von Mathilde Ludendorff geschehen sein könnte. Nach dem Tod von Mathilde Ludendorff natürlich noch mit viel größerer Wahrscheinlichkeit. Denn wer hätte nach ihr die Autorität gehabt, etwas allgemeiner verbindliches darüber zu sagen? Etwas ähnlich für die Anhängerschaft allgemein Verbindliches, was Mathilde Ludendorff noch 1958 in ihrem Aufsatz "Was ist zu bedauern?" ("Der Quell", 9. Juni 1958) über den erfolgreichen Verlauf der Feiern zu ihrem 80. Geburtstag im Oktober 1957 gesagt hatte, woran sie dann die folgenden Gedanken knüpfte (Hervorh. nicht im Orig.):
Diese überstaatlichen Mächte, die nur bei restloser Ausrottung all unserer Werke und unseres Wirkens ihre eigene Arbeit in der Zukunft voll gerettet sehen würden, erschrecken natürlich jedes Mal über den Auftrieb, den die Geburtstagsfeiern für die Mitkämpfer bedeuten. So sind denn die jeweils sich anschließenden Versuche der Verleumdung, vor allem auch die Bemühungen, Zank und Misstrauen in der kleinen Kampfschar zur Aufblüte zu bringen, natürlich eine stete Begleitmusik der Geburtstagsfeiern. Da sie nun ebenso klug sind wie listig, so ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie im Höchstmaße zu erreichen suchen, worauf ich in meinen Worten am 4. 10. hingewiesen habe. Die Einzigen, so erinnerte ich, die die reine Idee, die nur dem Schöpfungsziel dient, hemmen können, sind die, die die Ziele des Hauses Ludendorff öffentlich vertreten, aber durch unvollkommenes Handeln den Sieg hinauszögern können.
Die verschiedenen die Welt beherrschenden Priesterreiche haben die an sich sinnvolle Unvollkommenheit der Menschen stets ungeheuer geschickt ausgenützt, und so ist es ihnen gelungen, das Höchstmaß solcher Auswirkung der Unvollkommenheit in den Völkern zu erreichen. Die günstigsten Vorbedingungen haben sie dadurch geschaffen, dass sie sie durch Fremdreligionen (...) entwurzelt haben. In solcher Entwurzelung wurde die Mehrheit unserer kleinen Mitkämpferschar noch in ihrer Kindheit auferzogen, und so ist es denn natürlich sehr begreiflich, dass sogar unter denen, die selbst fest überzeugt sind, auf dem Boden der Kampfziele Erich Ludendorffs und meiner Werke der Gotterkenntnis zu stehen, dem eifrigen Ausnützen ihrer Unvollkommenheit von seiten der Gegner zu geringen Widerstand entgegensetzen.
Diese aber bemühen sich immerwährend und meist in sehr geschickter Anpassung an die Eigenart der einzelnen, sie zum Misstrauen untereinander zu veranlassen, denn das gegenseitige Vertrauen der kleinen Schar von Mitkämpfern wäre ja eine prachtvolle Stütze im Wirken für unsere Ziele, und das ist natürlich den Gegnern höchst unwillkommen. So beklagenswert für uns nun auch diese gesteigerten Bemühungen im Anschluss an die Geburtstagsfeiern sind, so darf es uns jedenfalls nicht wundern. Die Verleumdungsfeldzüge und das Wecken von Zwietracht, Eifersucht und Misstrauen sind nur das Zeugnis dessen, wie klar die Gegner die Gefahr für sich erkennen.

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