Dienstag, 30. August 2011

Eduard Baumgarten: Eine große philosophische Synthese auf pragmatischer Grundlage? (I)

Bislang weniger beachtete geistige Traditionslinien im Umfeld von Hans Albert und K. R. Popper

Zusammenfassung: Eine Traditionslinie exisistiert vom humanistischen Kritischen Rationalismus von Karl Raimund Popper (1902-1994) (Wiki) über den "Popper Deutschlands", den Humanisten und das Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung Hans Albert (geb. 1921) (Wiki) zu dessen Lehrstuhl-Vorgänger Eduard Baumgarten (1898-1982) (Wiki) und dessen Freund Konrad Lorenz (1903-1989) (Wiki). Alle vier Genannten waren miteinander befreundet und haben sich gegenseitig besucht. Und damit gibt es eine Traditionslinie zu dem gemeinsamen Versuch von Baumgarten und Lorenz um 1940 herum, auf der Linie von Alfred Rosenberg (1893-1946) (Wiki) und Alfred Baeumler (1887-1968) (Wiki) eine philosophische Grundlegung des Nationalsozialismus zu formulieren, die Elemente des ("gottgläubigen"?) philosophischen Deutschen Idealismus mit dem amerikanischen Pragmatismus und mit der Konrad Lorenz'schen Evolutionären Erkenntnistheorie zu verbinden suchte. Wer die Geschichte des naturalistischen, also an der Naturwissenschaft orientierten Denkens in Deutschland während des 20. Jahrhunderts schreiben will und damit eines Evolutionären Humanismus, darf diese heute wenig bekannten Bestrebungen nicht unter den Teppich kehren. Sie gehören zu einem vollständigen Bild dazu. Welche Schlußfolgerung aus der Kenntnis dieser Zusammenhänge zu ziehen sind, soll an dieser Stelle zunächst nicht erörtert werden. Im folgenden geht es zunächst nur um die Aufklärung wenig bekannter Sachverhalte.

Abb. 1: Eduard Baumgarten, 1960er Jahre

An den in England lebenden Philosophen Karl R. Popper wurde am 6. Mai 1961 ein längerer Brief geschrieben. Er stammte von dem deutschen Soziologen Hans Albert (geb. 1921), der nachmalig als "der Stellvertreter K. R. Poppers in Deutschland" in die Philosophiegeschichte eingehen sollte (siehe Abb. 1). In diesem Brief gibt Albert einen ausführlichen Bericht über die Situation der deutschen Soziologie. Er ergänzte, nachdem er von der jüngeren Generation der deutschen Soziologen gesprochen hatte und dabei natürlich insbesondere von der "Frankfurter Schule" und ihren Gegnern (1, S. 49):

Eine Gruppe habe ich übrigens noch nicht erwähnt: und zwar die älteren deutschen Soziologen, die zwar nicht emigriert sind in der Nazi-Zeit, aber das System deutlich abgelehnt haben. (...) Vielleicht sollte ich noch Prof. Baumgarten aus Mannheim erwähnen -, vor einiger Zeit aus den USA zurückgekehrt -, dessen Institut gerade eine umfangreiche Untersuchung über die deutsche Universität herausgebracht hat. Diese Untersuchung enthält, wie ich hörte, sehr viel Kritik an den gegenwärtigen Zuständen bei uns.

Hans Albert sollte zwei Jahre später Lehrstuhl-Nachfolger dieses hier erwähnten Eduard Baumgarten in Mannheim werden. Und von diesem heute nur noch wenig bekannten Eduard Baumgarten vor allem soll der vorliegenden Beitrag handeln. Die zitierten Worte waren im Zusammenhang mit dem sogenannten "Positivismusstreit" geschrieben worden. Dieser war kurze Zeit später, im Herbst 1961 auf der Tagung der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie" in Tübingen ausgebrochen. Karl Raimund Popper hatte dort recht weitgehend im Sinne von Hans Albert, sowie ihrer beiden späteren philosophischen Freunde Eduard Baumgarten und Konrad Lorenz, in einem Referat die "Einheit der Methode von Natur- und Sozialwissenschaften" postuliert (Wikip.).

"Einheit der Methode von Natur- und Sozialwissenschaften"

Dieses Postulat wurde damals von solchen dezidierten Ideologen wie Theodor W. Adorno und nachmals insbesondere von Jürgen Habermas scharf angegriffen. Bis heute wohl tragen die damaligen Fronten dazu bei, das interdisziplinäre Gespräch und Forschen im Übergangsfeld von Geistes- und Naturwissenschaft zu verzögern und den Wissenschaftsgraben zu vertiefen. Erst in den letzten Jahren hat Jürgen Habermas einige Positionen zurückgenommen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion über die Willensfreiheit, in der die naturalistischen Argumente immer stärker vorherrschend werden, war dies wohl unumgänglich geworden.

Abb. 2: Hans Albert

Die noch heute in vielen Bereichen bestehende tiefgehende Sprachlosigkeit zwischen Geistes- und Naturwissenschaft hatte später auch der Biologe Edward O. Wilson nicht aufbrechen können, als er das Postulat von der "Einheit des Wissens" in aktualisierter Form formulierte. Lehrstuhl-Nachfolger von Hans Albert in Mannheim ist inzwischen übrigens Hartmut Esser. Dieser fällt heute jedoch eher durch Lippenbekenntnisse zu der genannten Einheit auf, als daß konkrete Schlußfolgerungen aus solchen Bekenntnissen gezogen würden (Stud. gen.).

Im Hauptstrom der geistigen Entwicklungen seit Hans Albert steht natürlich heute vor allem die Giordano-Bruno-Stiftung. Dementsprechend hat diese auch Hans Albert als Mitglied ihres wissenschaftlichen Beirates gewählt. Niemals aber ist im Bereich des naturalistischen Philosophierens, das hier vorherrscht, eine solche Breite der gedanklichen Ansätze vertreten und verfolgt worden, wie sie - ganz "pragmatisch" - Eduard Baumgarten seit den frühen 1940er Jahren vertrat.

"Deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich"

Auf diesen Umstand ist aufmerksam gemacht worden durch die im Jahr 2002 erschienene zweibändige Überblicksdarstellung "Deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich" (2). Für die Thematik der Geschichte des naturalistischen Denkens im 20. Jahrhunderts macht sie mit einigen Themen und Entwicklungen  im Umfeld von Hans Albert und Eduard Baumgarten bekannt, die bislang - zumindest in der hier deutlich werdenden Brisanz - der Forschung und Öffentlichkeit noch nicht bekannt gewesen waren.

Auch die heutigen Vertreter dieser Denkrichtung scheinen bislang ganz zufrieden damit zu sein, daß darüber noch so wenig gesprochen und nachgedacht worden ist. Ob das aber die angemessene und auch ausreichend selbstkritische Vorgehensweise ist, die auch im Sinne des verstorbenen Eduard Baumgarten wäre, bleibe dahingestellt.

In Anknüpfung an philosophische Anliegen von Alfred Rosenberg und Alfred Bäumler, zwei der führenden Vordenker, bzw. Philosophen des Dritten Reiches, wollten nämlich die nachmaligen deutschen philosophischen Freunde von Karl Raimund Popper und Hans Albert, nämlich Eduard Baumgarten und Konrad Lorenz, um 1940 an der Universität Königsberg eine auf breit angelegte interdisziplinäre Auseinandersetzung zwischen der Evolutionsforschung und der Philosophie angelegte "Dependance von Buderose" gründen. In dem vielhundertseitigen, enzyklopädischen Werk "Das Dritte Reich und seine Denker" aus dem Jahr 1959 (14) sind weder Konrad Lorenz noch Eduard Baumgarten erwähnt. Das liegt wohl daran, daß damals das naturalistische Denken für sich in der Wahrnehmung der Zeitgenossen noch eine so geringe Rolle spielte.

Die Auseinandersetzung mit einem solchen Philosophen wie Martin Heidegger wurde breit geführt. Darüber blieben viele andere, vielleicht langfristig viel bedeutendere philosophische Entwicklungen während des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich über Gebühr unbeachtet.

Naturwissenschaftsnahe, nationalsozialistische Ideenschmiede 1940 in Königsberg?

"Buderose", das wird im zweiten Teil genauer erläutert, stand in diesem Zusammenhang für einen um Alfred Rosenberg und Alfred Baeumler gegründeten philosophischen Arbeitskreis von damals jungen deutschen Nachwuchsphilosophen, von denen sich Baeumler und Rosenberg eine philosophisch stringentere Durchformulierung der Staats- und Gesellschaftsidee des Dritten Reiches erwarteten, als eine solche bis dahin durch philosophisch so uninformierte Bücher wie "Mein Kampf" oder "Der Mythos des 20. Jahrhunderts" gegeben worden waren.

Schon die Tatsache, daß man sich dazu an "liberale" Nichtnationalsozialisten wenden mußte (was anfangs auch für Alfred Baeumler und Eduard Baumgarten galt), ist bezeichnend. Aber welche Antriebe bewegten damals umgekehrt diese Nichtnationalsozialisten dazu, sich für eine solche Arbeit zur Verfügung zu stellen? Ist die These zumindest für Eduard Baumgarten zu verfolgen, daß er an einer "Humanisierung des Nationalsozialismus" von innen heraus arbeitete?

Die Brisanz der Thematik liegt auf der Hand: Ein naturalistisches Philosophieren, wie es später von Karl Raimund Popper und Hans Albert fortgesetzt wurde, stellte sich 1940 einigermaßen bewußt in den Dienst des Dritten Reiches. So erscheint es zumindest auf den ersten Augenschein. Und man wäre schon sehr interessiert daran, die genaueren Umstände und Motivlagen für diese Geschehnisse zu rekonstruieren, um sich besser mit ihnen auseinandersetzen zu können, um auch vergleichen zu können, und um Lehren für die Gegenwart und Zukunft ziehen zu können.

Ein Vergleich könnte sich etwa anbieten mit dem zeitgleichen naturalistischen Denken innerhalb der Ludendorff-Bewegung und der Positionierung desselben gegenüber dem Nationalsozialismus. Womöglich unter einem Rahmenthema mit dem Titel "Spielräume unter Hitlers Herrschaft". So lautet ein bis heute unveröffentlichtes Buchmanuskript von Eduard Baumgarten.

"Spielräumen unter Hitlers Herrschaft"

Eduard Baumgarten hat nämlich von fachphilosophischer Seite einigermaßen im Zentrum der damaligen Entwicklungen in der Geschichte des naturalistischen Denkens in Deutschland gestanden und dabei sogar seine eigene Sicht auf die damaligen Geschehnisse und insbesondere auch auf Adolf Hitler selbst schriftlich niedergelegt, wie wir weiter unten erfahren werden. Allerdings ist die Herausgabe dieser Eigendarstellung durch seinen Nachlaßverwalter und Schüler, Michael Sukale in Münster (geb. 1940), seit Jahrzehnten nicht erfolgt. Zwischenzeitlich glaubte sich Sukale wohl mit seinen zum Teil berechtigterweise aufsehenerregenden Studien über Max Weber (3), jenes Denkers, in dessen geistiger Tradition sich vor allem auch Webers Neffe Eduard Baumgarten sah, allerhand "Vorarbeiten" zu leisten, um vielleicht auch zu einem tieferen Verständnis seines akademischen Lehrers Baumgarten und zu dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus beitragen zu können.

Abb. 3: M. Sukale
Der Soziologe Sukale betrachtet jedenfalls Baumgarten als seinen "sozialethischen" und Hans Albert als seinen "wissenschaftstheoretischen" Lehrer. Damit wird natürlich zugleich die Frage aufgeworfen, in welcher Weise Baumgarten während des Dritten Reiches seinen "sozialethischen" Standpunkt vertreten hat.

Im folgenden soll der wissenschaftsgeschichtliche Kenntnisstand zu Baumgartens philosophischem Wirken im Dritten Reich zusammengetragen werden. Während die wesentlichen wisenschaftsgeschichtlichen Ereignisse im Umfeld der Person Konrad Lorenz hier als bekannt vorausgesetzt werden, da sie breite, auch populärwissenschaftliche Darstellung gefunden haben (etwa 4-6), ist es wichtig, die dort erarbeiteten Kenntnisse durch Kenntnisse zu den geistigen, wissenschaftlichen Biographien von Alfred Baeumler, Eduard Baumgarten und Hans Albert zu ergänzen.

Naturalistisches Denken und Philosophieren, das sich bewusster als ein solches verstand und sich von anderen Arten des Philosophierens und Denkens bewusster absetzte, spielte in der Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts eine vergleichsweise randständige Rolle (G-Bücher). Den Naturwissenschaftlern selbst war jedoch die zentrale Rolle der Naturwissenschaft auch für die philosophische Geistesgeschichte der Menschheit zumeist wesentlich deutlicher bewusst, als den Philosophen. Das beginnt sich erst in den letzten Jahren zu ändern.

1968 - Konrad Lorenz zum 70. Geburtstag Baumgartens

Aus Anlass des siebzigsten Geburtstages von Eduard Baumgarten im Jahr 1968 erschien - um drei Jahre verspätet - und in aufregenden Zeiten 1971 eine Festschrift (7) und eine Auswahl der Abhandlungen und Vorlesungen Baumgartens, ausgewählt und eingeleitet von seinem Schüler Michael Sukale (8).

Der berühmteste Beitrag der Festschrift war nun der von Konrad Lorenz, vor dessen Veröffentlichung ihn zunächst nahe stehende Freunde (5) dringend abgeraten hatten: "Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit" (9, 10). Viele Ereignisse auf geistigem Gebiet, die sich zwischen 1968 und 1973 ereignete haben, verdienen sicherlich, früher oder später vergessen zu werden. Bestimmt aber nicht das Erscheinen dieses berühmten Aufsatzes von Konrad Lorenz, der noch das Denken einer Jugendgeneration später tiefgreifend beeinflussen konnte. Und der noch heute grundlegend ist.

Als dieser Aufsatz 1973 in einer separaten Schrift erschien, die bis 1989 20 Auflagen erlebte (10), schrieb Konrad Lorenz im Vorwort zu ihr:

Die vorliegende Abhandlung ist für die Festschrift geschrieben worden, die zum 70. Geburtstag meines Freundes Eduard Baumgarten erschien. Ihrem Wesen nach paßt sie eigentlich weder zu einer so freudigen Gelegenheit noch zu der fröhlichen Natur des Jubilars, denn sie ist eingestandenermaßen eine Jeremiade ...
1968 - Hans Albert zum 70. Geburtstag Baumgartens

Im Gegensatz zu Konrad Lorenz war es dann vor allem Hans Albert, der eher im Rahmen einer üblichen Festschrift blieb und im Vorwort zu derselben versuchte, zunächst einmal die Nähe des Jubilars zu naturwissenschaftlichen Ansätzen herauszuarbeiten. Eine Nähe, die Konrad Lorenz natürlich von vornherein selbstverständlich war und die er nicht erst noch betonen musste. Hans Albert schrieb (11):

Eduard Baumgarten (...) hat stets den Zusammenhang der Philosophie mit den Realwissenschaften (...) betont. (...) In seinen theoretischen Untersuchungen findet man philosophische Gesichtspunkte verbunden mit soziologischer und sogar biologischer Analyse. Forschungsergebnisse der Realwissenschaften werden von ihm aufgenommen, verarbeitet und zur Durchleuchtung und Kritik philosophischer Thesen - etwa aus dem Bereich der Erkenntnistheorie oder Moralphilosophie - verwendet. Die Dichotomie von Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften, die im deutschen Sprachbereich immer noch eine so große Rolle spielt, und den mit ihr meist verbundenen methodologischen Separatismus des geisteswissenschaftlichen Denkens hat Baumgarten stets zurückgewiesen.
Hans Albert schrieb außerdem:
Eduard Baumgarten hat es nicht notwendig gehabt, sich von Verfechtern sozialer Erlösungslehren darüber unterrichten zu lassen, dass die Erkenntnis selbst eine soziale Praxis ist, eingebettet in den sozialen Zusammenhang und der Regulierung durch soziale Normen unterworfen.
Und er führte aus:
Gleichzeitig mit dieser Festschrift erscheint eine Sammlung von Arbeiten aus der Feder Eduard Baumgartens mit einer kommentierenden Einleitung von Michael Sukale, dessen Beitrag hier an erster Stelle abgedruckt ist, weil er sich intensiv mit zentralen Themen und Ideen Baumgartens auseinandersetzt. In dieser Einleitung (gemeint: zur Sammlung) geht Sukale in einer Weise auf die geistige Entwicklung und auf das Werk Baumgartens ein, wie es besser kaum möglich ist und wie es vor allem der Herausgeber dieses Bandes nicht könnte.

Damit sprach Albert sich selbst an.

1968 - Michael Sukale zum 70. Geburtstag Baumgartens

Und Sukale selbst schreibt nun ebenfalls schon im Vorwort der Aufsatz-Sammlung (8):

Die Geschichte dieses Buches begann, als ich im Frühjahr 1964 sechs Wochen lang im Hause Eduard Baumgartens lebte, um ihm bei der Fertigstellung eines Buches über Max Weber beizustehen. In den wenigen Mußestunden, die mir verblieben, stöberte ich in Kästen, in denen unveröffentlichte Manuskripte Baumgartens lagerten. Die Heidelberger Dissertation (Frühjahr 1924) und die Königsberger Vorlesungen (Winter 1941/42) fesselten mich am stärksten und wanderten mit mir zu näherem Studium aus dem Hause; sie haben in der Tat den Weg gewiesen zu der Publikation, die ich hier vorlege.
Sukale betont jedoch, dass er sich in diesem Band nur mit der wissenschaftlichen Lebensleistung Baumgartens auseinandersetzt:
... Andererseits ist sich der Herausgeber wohl bewußt, daß die rein wissenschaftliche Arbeit nicht immer im Zentrum von Baumgartens Leben gestanden hat: immer wieder haben praktisch-politische Bedürfnisse und Ziele seine Aufmerksamkeit gefesselt. Allerdings haben sich diese Bemühungen während des ersten in diesem Buch repräsentierten Zeitraums (1933-1945) vornehmlich nur in Tagebüchern, Briefen und Prozeßakten niedergeschlagen, während Baumgartens Veröffentlichungen dieser Jahre nur selten - in Vorworten, Fußnoten und Nebenbemerkungen - auf das politische Tagesgeschehen Bezug nehmen. (...)
Zur Zeit arbeitet der Verfasser (also Eduard Baumgarten) an zwei Büchern, die hoffentlich in Bälde erscheinen werden: "Hitlers Macht"; "Spielräume unter Hitlers Herrschaft". Das zweitgenannte Buch wird über Baumgartens eigene praktische Anteilnahme an dieser Epoche Auskunft geben.

Diese beiden schon 1971 angekündigten Bücher sind, soweit übersehbar, in den letzten vierzig Jahren nicht erschienen. Es kann aber inzwischen schon anhand zahlreicher anderer wissenschaftsgeschichtlicher Studien "rekonstruiert" werden, was in diesen beiden Büchern wenigstens ungefähr enthalten sein könnte. (Wir haben per Email bei Michael Sukale um weitere Auskünfte gebeten, aber bislang keine Antwort erhalten.)

Doch bevor auf diese Thematik eingegangen werden soll, soll noch auf die persönlichen Konstellationen der Beteiligten um das Jahr 1968 herum genaueres Licht geworfen werden.

"Meinen Vorgänger Baumgarten habe ich dann näher kennengelernt" - Hans Albert

Anläßlich seiner Emeritierung an der Universität Mannheim im Jahr 1963 hatte Eduard Baumgarten den Soziologen und Philosophen Hans Albert als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Hans Albert berichtet selbst (12, S. 100):

Um mich zu einer Annahme des Rufes zu bewegen, hatte Baumgarten mich übrigens eindringlich auf meine Pflichten meiner Familie gegenüber hingewiesen.
Abb. 4: Sigwart Lindenberg

Albert nahm schließlich an. Und er berichtet weiter (12, S. 101-103):

Meinen Vorgänger Baumgarten habe ich dann näher kennengelernt und hatte mit ihm viele interessante Gespräche. (...) Baumgarten hatte sich nach dem zweiten Weltkrieg intensiv mit dem Werk seines Onkels Max Weber befaßt. Ein Resultat seiner Bemühungen war ein umfangreicher Band mit kommentierten Texten aus dem Nachlaß Webers, den er im Jahr 1964 veröffentlichte. An diesem Band hatten einige seiner Mitarbeiter mitgewirkt, mit denen Lepsius und ich dann näher bekannt wurden: Hermann Vetter (...) und Sybille Wolf, Sigwart Lindenberg und Michael Sukale, die in Mannheim studierten und zu den ersten Studenten gehörten, die dann das neu eingeführte Soziologie-Diplom in Mannheim erwarben.

Albert, Lindenberg und Sukale verbindet bis heute eine Freundschaft miteinander (12, S. 179). Albert machte Sukale mit Karl Raimund Popper auch persönlich bekannt, wie er seinerseits 1982 zusammen mit Karl Raimund Popper und dessen Ehefrau sich mit Konrad Lorenz traf, den engen philosophischen Freund seines Lehrstuhl-Vorgängers Baumgarten (12, S. 159).

Als Schüler Eduard Baumgartens in Freiburg nennt auch Sukale (3) Sigwart Lindenberg (siehe Abb. 4)  und Sybille Wolf (heute: Sybille Anbar, in der Festschrift von 1968/71 Sybille Sukale-Wolf). Und Sukale schreibt (3):

Ohne diese vier Personen wäre mir mein drittes Jahrzehnt gar nicht denkbar.

Er schreibt über die offenbar sehr prägenden "Tage und Nächte der Zusammenarbeit" mit Eduard Baumgarten, als sie Baumgartens Buch über Max Weber herausbrachten (13). Eduard Baumgarten wußte über seinen Onkel Max Weber manches, was schließlich erst Michael Sukale in seiner Weber-Biographie öffentlich machte. Möglicherweise war das sogar einer der wesentlicheren Ausgangspunkte seines neuen Buches (3, S. 196, Vorwort).

Ergänzung 2020

Im Jahr 2018 sind schöne Erinnerungen an diese gemeinsame Studienzeit bei und mit Hans Albert erschienen (29, 30). Eduard Baumgarten hatte seine eigenen Freiburger Studenten sprichwörtlich zu Hans Albert nach Mannheim "getrieben", da dort das wertvolle "Gegenwärtige" und "Zukünftige" im geistigen Raum geschehe. Sukkale berichtet da (Begegn., 2018):

Wir hatten von Eduard Baumgarten gehört, daß Hans Albert Max Webers Methodologie wie kaum ein anderer kannte und weiter entwickeln würde.
Und Sigwart Lindenberg erzählt (30):
Hans  Albert kam im Dezember 1963 und ein paar Monate später  fing  alles  an.  Seine  Vorlesungen, die wir dann gleich besuchten, waren: Formale Logik II (sic!), Wissenschaftslehre I, und Wert- und Ideologieproblematik; in späteren Semestern folgten dann "mathematische Grundlagen (Graphentheorie)" I und II, Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften (II), und ein Seminar "Logik, Soziologie, und Philosophie des Rechts". Und dann natürlich das Soziologische Colloquium zusammen mit den Kollegen Irle und Lepsius. Auf den ersten Blick ist das vor allem viel formaler Kram. (...) Wie war es dann möglich, so an seinen Lippen zu hängen? (...)
Wir hatten den Eindruck, daß wir förmlich mit ihm, gerade da, wo er stand und wir saßen, zu den Einsichten kamen, die er uns vortrug. Er war zu dieser Zeit selbst noch suchend  und  pausenlos  findend,  und  er  schrieb  das  damals  in  vielen  Aufsätzen auf. (...) Wir (...) waren  vollauf  damit  beschäftigt, die gezielte Neugier zu erlernen, und wie man sie befriedigen könnte. Was ist Wissen und was ist eigentlich Theorie? Warum nicht mit Begriffen begreifen?  Wozu  eigentlich  Logik  und  was  sind  "gute  Argumente"?  Warum  sind Modelle nicht genug, und wofür genau brauchen wir (welche) Empirie? Warum  am  besten  integrierte  Sozialwissenschaft,  und  wie  dann  Ökonomie,  Soziologie und Psychologie integrieren?
Diese  Erfahrung  mit  geistigem  Hunger  und  Hungerstillen  ging  dann  auf  ganz andere Weise weiter in unseren häufigen Besuchen bei Hans Albert zuhause. Das war in Heidelberg, gemütlich klein, mit Gretl Albert und den Kindern,  erst  mit  Max  und  dann  mit  Gert  und  Kurt.  Im  Wohnzimmer  an  den  Wänden standen imposante und bestens geordnete Bücherregale mit den tollsten  Neuerscheinungen,  aber  auf  dem  Boden  wuselte  es  herum,  und  in  einer  Ecke  war  Hans  Albert  an  einem  kleinen  Tisch  mit  Schreibmaschine  dabei,  über allen Kinderlärm hinweg, konzentriert und in aller Ruhe seine Aufsätze zu schreiben. In solche, an Jan Steens Bilder erinnernde, familiäre Gemütlichkeit kamen wir dann, zum Essen, zum Diskutieren, oft bis nach Mitternacht, und fuhren dann manchmal mit einem ausgeliehenen Buch unter dem Arm zurück  nach  Mannheim.  Diese  hautnahe  Gegenwart  im  geordneten  Chaos  war  noch  eine  ganz  andere  Lernerfahrung  als  in  der  Uni.  Hier  wurde  vorgelebt,  wie  die  wissenschaftliche  Neugier,  die  hohen  Ansprüche  an  Qualität  der Argumente, und das Hinhören und Antworten einher gehen kann mit der offenen, familiären und auch herzlichen Menschlichkeit.
Indem der hier schon erwähnte Hartmut Esser in demselben Band ein wenig schildert, wie er zur Wahl eines Soziologie-Studiums kam, macht er zugleich auch ein wenig das Selbstverständnis unter diesen Soziologen sichtbar (Beg. 2018):
S wie „Soziologie“. Was war das denn? Und da stand tatsächlich: Die Soziologie sei die Wissenschaft von der Gesellschaft, die, anders als die Sozialphilosophien, die uns sonst so dargeboten wurden, nach den Regeln der Naturwissenschaften betrieben werde. Elektrisiert las ich sogar den Begriff "Physique Sociale" dafür. DAS ist es doch!
Als wissenschaftshistorisch durchaus interessierter Evolutionärer Anthropologe, der sich viel in der Literatur umgetan hat, fragt sich der Autor dieser Zeilen gerade, wo ihm so etwas einmal begegnet sein könnte, eine Soziologie, die "nach den Regeln der Naturwissenschaft betrieben werde". Nanu!? Warum beziehen sich dann heute immer noch so auffallend wenige Soziologen auf die Soziobiologen, die ja eine "Soziologie" ist, die "nach der Regeln der Naturwissenschaft betrieben" wird!? Fragen aber auch. Fragen über Fragen. In dem Band "Begegnungen mit Hans Albert" scheinen auch keine Soziobiologen aufzutauchen. Nun gut, Hartmut Esser benutzt den Begriff Soziobiologie als einziger in dem Band an einer Stelle (29, S. 106)(GB):
Wäre es nicht ein wirklich erstrebenswertes Ziel, beides zu vereinen: Eine analytisch strenge und klare soziologische Theorie, die empirisch alles aufnimmt, was für ihre Erklärungen wichtig ist? Und müßte man dabei nicht eigentlich gut zuhören, was die verschiedenen anderen Ansätze, die der Soziologie, der (Sozial-)Psychologie, der Ethnologie, der Anthropologie, der Soziobiologie, gar auch der Neurowissenschaften zu sagen haben?

Es wäre doch einmal zu prüfen, in wieweit die hier referierten gedachten Gedanken der 1980er Jahre zwischenzeitlich umgesetzt worden sind.  - - - Soweit jedenfalls zu einigen aktuelleren persönlichen und wissenschaftsgeschichtlichen Konstellationen, die im Zusammenhang mit der vorliegenden Thematik weiterhin von großer Bedeutung sind.

Soweit ein Einblick in die Lebenswirklichkeit von Studenten Eduard Baumgartens um 1960 herum. 

Ein Seminar Eduard Baumgartens über Macchiavelli (1950)

Der deutsche Philosoph und Psychologe Detlev von Uslar (geb. 1926) (Wiki), der von 1967 bis 1987 sehr erfolgreich als Professor an der Universität Zürich wirkte, berichtet in seinen Erinnerungen ein wenig von dem Studentenleben im Umfeld von Eduard Baumgarten um 1950 in Freiburg (15).

von Uslar war Sohn eines Weltkrieg I-Offiziers und Stahlhelm-Führers (15, S. 25), der nach Auflösung des Stahlhelms im Jahr 1934 aufgrund einer jüdischen Großmutter in seinen bürgerlichen Beruf als Versicherungsvertreter zurückgekehrt ist (15, S. 32). Detlev von Uslar war in seiner Jugend begeisterter Leser von Ernst Jünger (Mamorklippen, Das abenteuerliche Herz).*) von Uslar studierte von 1946 bis 1950 in Göttingen Philosophie bei Nicolai Hartmann. In dieser Zeit schickte er an den von ihm verehrten Ernst Jünger ein Manuskript mit dem Titel "Der Webetanz", in dem Briefe zusammengestellt waren, die er mit seiner Freundin Gisela Wilhelmi gewechselt hatte, die aus Königsberg stammte. Jünger antwortete freundlich. Das Manuskript ist 2014 schließlich veröffentlicht worden. Im Klappentext heißt es über dieses (16):

In den sehr lebendigen Briefen dieses Paars aus den Jahren 1949/50 spiegelt sich eine Aufbruchszeit, ein Neuanfang nach dem Ende des zweiten Weltkriegs: Die Leuchtkraft von Werken der Kunst, Musik und Dichtung, die zu dieser Zeit aktuell waren. Gedanken und Erlebnisse des Tages und Träume der Nacht. - Die Zeit, in der auch die Bundesrepublik und die DDR gegründet wurden, verbindet sich mit der Aktualität der heutigen Gegenwart. Der "Webetanz" ist ein barocker Volkstanz, in dem die tanzenden Paare sich trennen und einzeln so weiter tanzen, daß sich die ausgestreckten Hände aller Tänzerinnen nacheinander mit denen aller ihnen entgegenkommenden Tänzer berühren: Ein Symbol für die Einheit und Vielheit der Beziehungen. Es geht in diesem Buch um die Frage, wie sich verschiedene gleichzeitige Liebesbeziehungen (ein sich Verschenken nach allen Seiten) mit dem Anspruch jeder einzelnen Beziehung auf Absolutheit und Einmaligkeit vereinigen lassen. Es geht um den Konflikt zwischen "Treue" und "Schenkender Tugend" (Nietzsche).

Nachdem Nicolai Hartmann, bei dem von Uslar eine Doktorarbeit über dieses Thema der wechselnden menschlichen Begegnungen angefangen hatte, im Jahr 1950 gestorben war und er überlegte, ob er sie bei C. F. von Weizsäcker fortsetzen sollte, schrieb ihm seine Freundin Gisela, die inzwischen Musik in Freiburg studierte, daß Heidegger in Freiburg wieder anfangen würde zu lehren. Detlef von Uslar entschied sich, nach Freiburg zu wechseln. Er berichtet (15, S. 143f):

Es war eine absolut neue Welt, die ich hier erlebte und in die ich so im November 1950 geraten war. (...) In der Universität besuchte ich neben den Seminaren Heideggers, die der absolute Mittelpunkt waren, auch die Seminare von Eduard Baumgarten, den ich durch Gisela kennen gelernt hatte, weil er wie sie aus Königsberg stammte. Die Beziehungen zu Königsberg waren in ihrem Leben noch ganz gegenwärtig. So wohnte sie später auch in einer Gartenveranda des Zoologen Otto Köhler, der zusammen mit Baumgarten und Konrad Lorenz in Königsberg gewesen war. Lorenz hat später das Buch "Die Rückseite des Spiegels" "den Königsberger Freunden Eduard Baumgarten und Otto Köhler" gewidmet. Baumgarten erzählte, daß er die obere Etage seines philosophischen Seminars für Konrad Lorenz und seine Tiere freigemacht habe, der dort seine Forschungen weiterführen konnte. Während Otto Köhler vor allem die Orientierung der Bienen erforscht hatte, war Baumgarten, wie er sagte, "der letzte Inhaber des Kantischen Lehrstuhls". Und Giselas Eltern waren in Königsberg dem geistigen Leben der Stadt eng verbunden. So war also für mich hier gleichsam ein Stück des alten Lebens der inzwischen russich gewordenen Stadt Königsberg lebendig. 
Baumgartens Hauptthema war das Problem der Macht, das auch das Thema seines Seminars wurde. Es handelte vor allem von Machiavellis "Principe" und war belebt und durchzogen vom Zauber und der Faszination dieses phantastisch rücksichtslosen Buchs, das uns alle fesselte, so auch meinen Freund Reimar Hahndorf, den ich dort kennenlernte, und den Philosophen von Friedeburg. (...) Als ich Baumgarten erzählte, daß mein Studentenzimmer, möbliert mit alten eisernen Gartenmöbeln, ziemlich unbefriedigend sei, sagte er: "Ach ich glaube, da ist doch noch der Käfig frei." Das war eine kleine Mansarde im Haus seiner Schwester, bei der ich nun einzog.

Mehr zur Biographie von Uslar's noch in einer Anmerkung.**) 

Ein zweiter Teil dieses Aufsatzes folgt ---> hier.


 / Neuberbeitung einer schon im 
Oktober 2010 veröffentlichten Fassung;
Ergänzung zu [15, 16] 4.12.2021 /

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*) 1944 ist er in Gnesen militärisch ausgebildet worden, hat 1945 an den Abwehrkämpfen in Ungarn und in der Tschechoslowakei teilgenommen und dann das Glück, noch 1945 wegen Dystrophie aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft im Lager Makejevka am Donez entlassen zu werden (15, S. 111).
**) Diese war Malerin und Jugendfreundin der Großherzogin Feodora von Sachsen-Weimar (1890-1972) (Wiki), die auf der gegenüberliegenden Seite der Straße aufgewachsen war und gelegentlich zu Besuch kam. von Uslar berichtet im weiteren von einem Ineinander-Verwobensein von Privatleben und wissenschaftlichen Anliegen, von dem man sonst wohl nur sehr selten etwas zu hören bekommen wird und das - unabhängig von dem Thema des vorliegenden Blobbeitrages - ein eigenes Interesse auf sich ziehen kann, aber durch sein Studium der Schelling'schen Philosophie wiederum auch Bezüge zu diesem aufweist (15, S. 147): 
"Ich traf mich nun immer wieder mit Gisela, abwechselnd mit Besuchen bei ihr in ihrer Glaveranda am Garten des Hauses von Otto Köhler, in der man nachts das Rauschen eines Bachs hörte, der durch diesen Garten floß. (...) Es war eine glückliche und erfüllte Beziehung. Gisela hatte zuletzt in Göttingen sich mit einem andern Mann verlobt, aber das war nun vergessen. - Dieses Abwechseln von Nähe und Ferne hat sich auch später noch fortgesetzt, als sie einen faszinierenden Cellisten traf, nach einiger Zeit aber wieder zu mir zurückkam."
Er berichtet über das Studium von Schellings "System des transzendentalen Idealismus" und bemerkt (S. 158f):
"Neben diesen Studien ging natürlich das Zusammenleben, die Kette der Beziehungen und Begegnungen weiter. Beide verbinden sich. Denken und Liebe und Erlebnisse gehören in ihrem Hintergrund stets zusammen. Vor allem Gisela war immer gegenwärtig. Sie wurde von ihren musizierenden Freundinnen und Freunden am Eingangstor zum Garten Otto Köhlers, das man durchschreiten mußte, um zu ihrer Gartenveranda zu kommen, mit dem Pfeifsignal des Motivs aus einem Violinkonzert Johann Sebastian Bachs und von mir durch den Pfiff des Webetanzes gerufen."
Er lernte eine blonde Marion kennen (S. 159f):
"Was mich in meiner Doktorarbeit gedanklich beschäftigte, daß alle unsere eigentlichen Beziehungen und Begegnungen irgendwie im Absoluten miteinander verschmelzen, erlebte ich hier nun wiederum existentiell im eigenen Leben. (...) Was mich in den Begegnungen mit Marion beschäftigte, war gerade die Vereinbarkeit verschiedener Begegnungen miteinander, obwohl jede mit einem Absolutheitsanpsruch auftritt, denn sie sind im wirklichen Absoluten nicht nur miteinander vereinbar, sondern speisen sich alle gegenseitig."
Im Gespräch mit Viktor von Weizsäcker sagt letzterer (S. 160):
"In jeder eigentlichen Begegnung sehen wir im Partner den Gott."
Detlev von Uslar hat zeitweise übrigens auch bei dem Freiburger Parapsychologen Hans Bender (1907-1991) (Wiki) studiert und gearbeitet.
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  1. Albert, Hans; Popper, Karl R.: Briefwechsel 1958 - 1994. Fischer Taschenbuch 2005
  2. Tilitzki, Christian: Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Teil 1 & 2. Akademie-Verlag, Berlin 2002 (Google Bücher)
  3. Sukale, Michael: Max Weber - Leidenschaft und Disziplin. Leben, Werk, Zeitgenossen. Mohr Siebeck, 2002
  4. Festetics, Antal: Konrad Lorenz. Aus der Welt des großen Naturforschers. Piper Verlag, München 1983
  5. Bischof, Norbert: "Gescheiter als alle die Laffen". Ein Psychogramm von Konrad Lorenz. Rasch u. Röhring, 1991, Piper TB 1993
  6. Föger, Benedikt; Taschwer, Klaus: Die andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus. 2001
  7. Albert, Hans (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  8. Baumgarten, Eduard: Gewissen und Macht. Abhandlungen und Vorlesungen 1933 - 1963. Ausgewählt und eingeleitet von Michael Sukale. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  9. Lorenz, Konrad: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. In: Albert, Hans (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971, S. 281 - 345
  10. Lorenz, Konrad: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. Piper Verlag, München 1973 (bis 1989 20 Auflagen)
  11. Albert, Hans: Vorwort. In: ders. (Hg.): Sozialtheorie und soziale Praxis. Eduard Baumgarten zum 70. Geburtstag. Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1971
  12. Albert, Hans: In Kontroversen verstrickt. Vom Kulturpessimismus zum kritischen Rationalismus. Wien 2007
  13. Baumgarten, Eduard: Max Weber - Werk und Person. Tübingen 1964
  14. Poliakov, Leon; Wulf, Joseph: Das Dritte Reich und seine Denker. arain Verlag, Berlin-Grunewald 1959
  15. von Uslar, Detlev: Momentaufnahmen - Lebensmomente, Zeitereignisse, Zeitgenossen. Koenigshausen & Neumann, Würzburg 2012 (G-Bücher
  16. von Uslar, Detlev; Wilhelmi, Gisela: Der Webetanz. Träume und Tage. Ein Briefwechsel. Koenigshausen & Neumann, Würzburg 2014 

2 Kommentare:

Ingo Bading hat gesagt…

Im Jahr 2018 sind schöne Erinnerungen an diese gemeinsame Studienzeit bei und mit Hans Albert erschienen (29, 30). Eduard Baumgarten hatte seine eigenen Freiburger Studenten sprichwörtlich zu Hans Albert nach Mannheim "getrieben", da dort das wertvolle "Gegenwärtige" und "Zukünftige" im geistigen Raum geschehe. Sukkale berichtet da (Begegn., 2018):

Wir hatten von Eduard Baumgarten gehört, daß Hans Albert Max Webers Methodologie wie kaum ein anderer kannte und weiter entwickeln würde.

Und Sigwart Lindenberg erzählt dann sehr lebendig (30):

Hans Albert kam im Dezember 1963 und ein paar Monate später fing alles an. Seine Vorlesungen, die wir dann gleich besuchten, waren: Formale Logik II (sic!), Wissenschaftslehre I, und Wert- und Ideologieproblematik; in späteren Semestern folgten dann „mathematische Grundlagen (Graphentheorie)“ I und II, Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften (II), und ein Seminar „Logik, Soziologie, und Philosophie des Rechts“. Und dann natürlich das Soziologische Colloquium zusammen mit den Kollegen Irle und Lepsius. Auf den ersten Blick ist das vor allem viel formaler Kram. (...) Wie war es dann möglich, so an seinen Lippen zu hängen? (...)

Wir hatten den Eindruck, daß wir förmlich mit ihm, gerade da, wo er stand und wir saßen, zu den Einsichten kamen, die er uns vortrug. Er war zu dieser Zeit selbst noch suchend und pausenlos findend, und er schrieb das damals in vielen Aufsätzen auf. (...) Wir (...) waren vollauf damit beschäftigt, die gezielte Neugier zu erlernen, und wie man sie befriedigen könnte. Was ist Wissen und was ist eigentlich Theorie? Warum nicht mit Begriffen begreifen? Wozu eigentlich Logik und was sind "gute Argumente"? Warum sind Modelle nicht genug, und wofür genau brauchen wir (welche) Empirie? Warum am besten integrierte Sozialwissenschaft, und wie dann Ökonomie, Soziologie und Psychologie integrieren?

Diese Erfahrung mit geistigem Hunger und Hungerstillen ging dann auf ganz andere Weise weiter in unseren häufigen Besuchen bei Hans Albert zuhause. Das war in Heidelberg, gemütlich klein, mit Gretl Albert und den Kindern, erst mit Max und dann mit Gert und Kurt. Im Wohnzimmer an den Wänden standen imposante und bestens geordnete Bücherregale mit den tollsten Neuerscheinungen, aber auf dem Boden wuselte es herum, und in einer Ecke war Hans Albert an einem kleinen Tisch mit Schreibmaschine dabei, über allen Kinderlärm hinweg, konzentriert und in aller Ruhe seine Aufsätze zu schreiben. In solche, an Jan Steens Bilder erinnernde, familiäre Gemütlichkeit kamen wir dann, zum Essen, zum Diskutieren, oft bis nach Mitternacht, und fuhren dann manchmal mit einem ausgeliehenen Buch unter dem Arm zurück nach Mannheim. Diese hautnahe Gegenwart im geordneten Chaos war noch eine ganz andere Lernerfahrung als in der Uni. Hier wurde vorgelebt, wie die wissenschaftliche Neugier, die hohen Ansprüche an Qualität der Argumente, und das Hinhören und Antworten einher gehen kann mit der offenen, familiären und auch herzlichen Menschlichkeit.

Ingo Bading hat gesagt…

Indem der hier schon erwähnte Hartmut Esser in demselben Band ein wenig schildert, wie er zur Wahl eines Soziologie-Studiums kam, macht er zugleich auch ein wenig das Selbstverständnis unter diesen Soziologen sichtbar (Beg. 2018):

S wie „Soziologie“. Was war das denn? Und da stand tatsächlich: Die Soziologie sei die Wissenschaft von der Gesellschaft, die, anders als die Sozialphilosophien, die uns sonst so dargeboten wurden, nach den Regeln der Naturwissenschaften betrieben werde. Elektrisiert las ich sogar den Begriff „Physique Sociale“ dafür. DAS ist es doch!

Als wissenschaftshistorisch durchaus interessierter Evolutionärer Anthropologe, der sich viel in der Literatur umgetan hat, fragt sich der Autor dieser Zeilen gerade, wo ihm so etwas einmal begegnet sein könnte, eine Soziologie, die "nach den Regeln der Naturwissenschaft betrieben werde". Nanu!? Warum beziehen sich dann heute immer noch so auffallend wenige Soziologen auf die Soziobiologen, die ja eine "Soziologie" ist, die "nach der Regeln der Naturwissenschaft betrieben" wird!? Fragen aber auch. Fragen über Fragen. In dem Band "Begegnungen mit Hans Albert" scheinen auch keine Soziobiologen aufzutauchen. Nun gut, Hartmut Esser benutzt den Begriff Soziobiologie als einziger in dem Band an einer Stelle (29, S. 106)(GB):

Wäre es nicht ein wirklich erstrebenswertes Ziel, beides zu vereinen: Eine analytisch strenge und klare soziologische Theorie, die empirisch alles aufnimmt, was für ihre Erklärungen wichtig ist? Und müßte man dabei nicht eigentlich gut zuhören, was die verschiedenen anderen Ansätze, die der Soziologie, der (Sozial-)Psychologie, der Ethnologie, der Anthropologie, der Soziobiologie, gar auch der Neurowissenschaften zu sagen haben?

Es wäre doch einmal zu prüfen, in wieweit die hier referierten gedachten Gedanken der 1980er Jahre zwischenzeitlich umgesetzt worden sind.
______________
29. Begegnungen mit Hans Albert - Eine Hommage. Hrsg. von Giuseppe Franco, Springer, Oktober 2018, 2019 (GB), https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-22690-9.
30. Siegwart Lindenberg: Die drei Orte des Lernens von und mit Hans Albert. In: siehe 29., https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-22690-9_45
31. Interview mit Prof. Dr. Hans Albert, Humanistisches Magazin vom 20. Februar 2011, https://www.humanistische-vereinigung.de/dateien/Audio/Humanistisches_Magazin_Februar_2011.mp3

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